„Sie sind auf keiner Karte verzeichnet. Die wahren Orte sind das nie„. Was Herman Melville in „Moby Dick“ feststellt, trifft auf das Savoy in London allerdings nicht zu. Die Grand Dame der Luxushotels liegt direkt an der berühmten Meile „The Strand“ und revolutionierte Ende des 19. Jahrhunderts das soziale Leben der feinen Gesellschaft, welches sich bis dato nur in privaten Clubs abgespielt hatte.
Im Savoy speisten gekrönte Häupter und die Reichen und Schönen feierten rauschende Feste. Die Damenwelt nahm sich die Freiheit, in aller Öffentlichkeit zu lunchen oder sich einen Drink an der American Bar zu genehmigen; der Bar, an der von 1925 bis 1930 der legendäre Barkeeper Harry Craddock hinter dem Tresen stand und den Cocktail-Klassiker „White Lady“ erfand.
Heute gehört das Savoy zu London wie der Big Ben und die Tower Bridge; das Hotel wurde sogar noch einige Jahre vor der berühmten Brücke eröffnet.
Die Erfolgsgeschichte des Savoy London nimmt ihren Anfang
Die Erfolgsgeschichte nahm ihren Anfang, als Richard D’Oyly Carte, der Besitzer des Savoy Theatre – das sich übrigens noch heute neben dem Hotel befindet – auf seinen Reisen den gehobenen Standard der Luxushotels in Amerika schätzen lernte. London selbst verfügte Ende des 19. Jahrhunderts noch über keine derartigen Etablissements für die feine und anspruchsvolle Gesellschaft. Carte entschloss sich, dies zu ändern, vor allem auch im Hinblick auf Gäste aus Übersee, die extra nach London kamen, um seine Theaterstücke zu sehen. Für den Hotelbau beauftragte er den renommierten Architekten Thomas Edward, der sich für seine Entwürfe des The Palace Theatre und Wigmore Hall einen Namen gemacht hat.
Nach fünfjähriger Bauzeit feierte das Savoy am 16. August 1889 Eröffnung und eroberte die Herzen der Londoner High-Society im Sturm. In keinem Hotel Goßbritanniens hatte es zuvor elektrisches Licht, Aufzüge und fließend warmes Wasser gegeben. Von opulent ausgestatteten Räumlichkeiten mit en-suite Badezimmern ganz zu schweigen.
César Ritz und Auguste Escoffier
Als wahrer Geniestreich erwies sich, als Hotelmanager den erfahrenen Schweizer Gastronomen César Ritz anzuheuern. Ritz, der bereits erfolgreich das Grand Hôtel National in Luzern sowie das Grand Hôtel in Monaco gemanagt hatte, holte auch gleich seinen Geschäftspartner, Auguste Escoffier, als Küchenchef mit ins Boot. Escoffier begeisterte die Gäste des Savoy nicht nur mit französischen Kreationen sondern auch mit Delikatessen aus aller Welt.
Escoffier gehört zu den Gründern der Haute Cuisine, sein Kochbuch „Le guide culinaire“ gilt als Standardwerk. Das mittlerweile weltberühmte Dessert „Pfirsich Melba“ schuf er eigens für die im Savoy Theatre gastierende australische Sängerin Nellie Melba. Bis 1897 schwang Auguste Escoffier im Savoy den Kochlöffel für Persönlichkeiten wie Noël Coward, Oscar Wilde und Winston Churchill.
Aufgrund des enormen Erfolges des Savoys erwarb Richard D’Oyly Carte in den folgenden Jahren die Hotels Claridge’s (1893), Le Grand Hotel Rome (1896), The Berkeley (1900) sowie das Restaurant Simpson’s-in-the-Strand (1898).
Vom Rechtsverkehr vor dem Savoy und Kaspar, der Nummer 14 bei Tisch
Legendäres gibt es unendlich viel über das historische Haus und seine Gästen zu erzählen…. Im gesamten Vereinigten Königreich gilt Linksverkehr, nur für den Savoy Court vor dem Hotel, gilt diese Regelung nicht. Der Grund hierfür ist, dass Besucher des Savoy Theatres nicht die Möglichkeit gegeben werden soll, direkt vor dem Theater zu parken und somit den Eingang zum Savoy zu blockieren.
Die bekannteste Kuriosität des Hauses ist die schwarze Holzkatze namens Kaspar.
Kaspars Geschichte begann 1898, als der südafrikanische Diamantenhändler Woolf Joel eine Dinnerparty für 14 Gäste im Londoner Savoy Hotel ausrichtete. In letzter Minute sagte ein Gast ab, womit es nur noch 13 zu Tisch waren. Ein abergläubischer Gast erklärte, dass der Tod die erste Person treffen würde, die den Tisch verließe. Joel spottete darüber und verließ die Dinnerparty als erster. Wochen später wurde er in Johannesburg erschossen.
Um weitere gleichartige Unglücke zu vermeiden, beschloss das Savoy, für jede Gesellschaft von 13 Personen einen zusätzlichen Gast zur Verfügung zu stellen. Ursprünglich diente ein Hotelmitarbeiter als 14ter Gast, aber diese Lösung fand nicht sehr viel Anklang. Die Gäste fühlten sich in ihrer Privatsphäre eingeschränkt und konnten ihre privaten Angelegenheiten nicht frei besprechen. So entstand 1926 die Holzkatze Kaspar – vom Innenarchitekten Basil Ionides zum Leben erweckt.
Kaspar ist bis heute, Serviette um den Hals und mit eigenem Gedeck, der 14te Gast. Zu seinen Ehren wurde 2013 das River Restaurant im Savoy London in Kaspar’s Seafood Bar and Restaurant umbenannt.
Poirot’s heiße Fährte
Ob Woolf Joel’s Tragödie Agatha Christie zum Plot von „13 bei Tisch“ inspirierte? Christie selbst war nämlich nicht nur gern gesehener Gast im Savoy, sondern ließ auch gleich ihren Protagonisten Hercule Poirot dort speisen. Bei einer Supper-Party lernt Poirot eine gewisse Lady Edgware kennen, die ihm anvertraut, sich verliebt zu haben, und gern ihren lästigen Gatten loswerden würde. 24 Stunden später ist Lord Edgware tot, und der belgische Detektiv begibt sich im Savoy auf die Fährte des Mörders….
Das Savoy London heute: Tradition trifft auf Moderne
Die Hotels der sogenannten „Savoy Group“ blieben bis 1994 in den Händen der Nachfahren von Richard D’Oyly Carte. Heute gehört das Hotel einem der reichsten Männern der Welt, dem saudi-arabischen Investor Prinz al-Walid ibn Talal Al Saud. Ganze 220 Millionen Pfund ließ sich der Prinz die Totalrenovierung des Savoys kosten. Dafür stand der Hotelbetrieb ganze drei Jahre still, bis am 10. Oktober 2010 die Londoner Ikone Wiedereröffnung feierte.
Die von Winston Churchill 1911 ins Leben gerufene geheime Dinner-Gesellschaft „The Other Club“ existiert noch heute. Jeden zweiten Donnerstag pünktlich um 8:15 Uhr treffen sich wichtige Figuren des politischen Lebens, um sich beim Abendessen im Pinafore Room über aktuelle Fragen und Probleme auszutauschen.
Und genau wie Oscar Wilde es vor über 100 Jahren zu tun pflegte, nimmt die Londoner Society den 5 o’clock tea noch immer am liebsten im noblen Savoy ein.
Wie man so schön sagt: „Das Leben misst sich nicht nach der Anzahl der Atemzüge, sondern den Momenten, die uns den Atem verschlagen“… Die Sicht von den Hotelsuiten mit Blick auf die Themse wird dies ganz sicherlich tun. Schon Claude Monet war so fasziniert, dass er die Aussicht in mehrerer seiner Londoner Werke verewigte. In seinen drei Besuchen im Savoy zwischen 1899 und 1901 bildete er die Sicht von seinem Balkon auf das im atmosphärischen Nebel und Dunst umhüllte Parlament von London sowie die Charing Cross und Waterloo-Brücke ab.