Das Hotel Sacher Wien ist vermutlich das einzige Hotel weltweit, dessen Namen man mit einer süssen Backware assoziiert.

Eröffnet in 1876, ist das Grand Hotel eng mit der Geschichte der Donaumetropole verbunden. Weltberühmt wurde es jedoch mit Hilfe der Sachertorte.

Die Geschichte der legendären Sachertorte

Hotel Sacher Wien - Die Sachertorte
Sachertorte mit Schlagobers im Café Sacher

Im Jahr 1832 war ein junger Franz Sacher als Lehrling am Hofe des Fürsten Metternich tätig. Hoher Besuch hatte sich angekündigt, und da der Chef Konditor erkrankt war, lag es an Franz, eine ganz besondere Nachspeise zu kreieren. Der Legende nach legte Franz an diesem Abend den Grundstein für die heutige Sachertorte.

Jahrzehnte später verfeinerte sein Sohn, Eduard Sacher, das Rezept seines Vaters.  Mitte des 19. Jahrhunderts wurde in einem Kochbuch erstmals eine “Schokoladentorte à la Sacher” aufgeführt.

Heute gibt es nur eine Torte auf der Welt, die sich „Original Sachertorte“ nennen darf. Jährlich werden mehr als 360.000 Stück per Hand gefertigt. Die genaue Rezeptur  der Schokotorte mit Marillenmarmeldade ist seit 180 Jahren unverändert – und natürlich streng geheim.

Eduard Sacher und das Hotel Sacher Wien

Aber zurück zur Entstehungsgeschichte des Hotels Sacher.

Eduard Sacher zählte zu den erfolgreichsten Gastronomen Wiens. Als „Kaiserlicher und Königlicher Hoflieferant“ versorgte er den Adel mit Weinen und Delikatessen und war Eigentümer von mehreren Gaststätten.

Im Jahre 1876 ließ er ein elegantes Stadtpalais im italienischen Neorenaissance Stil bauen. Gelegen an der Ringstrasse, der Prachtmeile bei der Wiener Staatsoper, fand sich schnell ein Name für das Hotel: „Hotel de l’Opéra„.

Hotel Sacher Wien Geschichte
Harper’s hand-book for travellers in Europe and the east, 1885

Als zugkräftige Werbung für sein neuestes Projekt diente die mittlerweile berühmte Sachertorte. Nicht nur Kaiserin Sissi erlag der schokoladigen Versuchung: Schon damals verkauft Eduard täglich bis zu 400 Torten und verschickt sie in die großen europäischen Metropolen, bis hin nach Übersee.

Die feine Wiener Gesellschaft sowie das Ensemble der Staatsoper machten es sich zur Gewohnheit im hoteleigenen Restaurant “Eduard Sacher” zu speisen. Besonders beliebt waren die Separées. Die abgeteilten Bereiche garantierten ein Zusammentreffen in völliger Privatsphäre. Was im Sacher passierte, blieb auch im Sacher.

Im kaiserlichen Wien wusste man die Diskretion des Hauses zu schätzen und verabredeten sich immer öfter “beim Sacher”.  Recht bald entschied sich Eduard daher dafür, sein Hotel de l’Opéra“ in Hotel Sacher umzubenennen.

Anna Sacher – die erste Direktorin eines Grand Hotels

Im Jahr 1880 vermählt sich Eduard mit Anna Fuchs, einer Verkäuferin in seinem Delikatessengeschäft.

Anna ist für die damalige Zeit ungewöhnlich modern und emanzipiert. Statt sich sich daheim um die Kinder zu kümmern, übernimmt sie nach und nach die Führungsrolle im Hotel.

Gemeinsam mit ihrem Schwiegervater schwingt sie den Kochlöffel und erfindet stets neue, außergewöhnliche Gerichte. Menükarten lässt sie von aufstrebenden Künstlern illustrieren. Diese werden später zu Sammlerstücken.

Zudem baut Anna Sacher sich ein einflussreiches Netzwerk auf und versteht es, Menschen aus verschiedensten Kreisen zusammenzubringen. Sie organisiert rauschende Bälle, die sowohl beim Adel als auch bei der jüdischen Oberschicht populär sind.

Künstler, Politiker und die österreichisch-ungarische Aristokratie gehen im Hotel Sacher ein und aus. Anna Sacher erbittet sich von jeder berühmten Persönlichkeit ein Autogramm auf einer Tischdecke.

1892 stirbt Eduard Sacher unerwartet an Lungenentzündung und Anna Sacher muss dafür kämpfen, dass Hotel allein führen zu dürfen. Mit der Unterstützung ehemaliger Stammgäste gelingt ihr das nach drei langen Jahren.  Sie wird die erste Hoteldirektorin der Welt.

Anna Sacher Hotel Sacher
Anna Maria Sacher, Photographie um 1908

Das Sacher Hotel erhält elektrisches Licht, eine Telefonleitung sowie einen Lift. Doch nicht nur im Hotel selbst zieht die Moderne ein.

Anna Sacher setzt sich immer mehr über Konventionen hinweg. Sie wettet bei Pferderennen, raucht Zigarren und eröffnet einen Damensalon im Sacher Hotel, der es Frauen erstmals ermöglicht, sich ohne männliche Begleitung zum Kaffee zu verabreden.

Anna Sacher verstirbt im Jahr 1930 an Herzversagen. Bei ihrer Beerdigung erweist ihr ganz Wien die letzte Ehre. Man steht Spalier auf der Ringstrasse und Annas Sarg wird einmal um ihr geliebtes Hotel getragen.

Die Krisenjahre des Hotel Sacher Wien

Nach Anna Sachers Tod stellte sich heraus, dass das Hotel nicht nur sanierungsbedürftig, sondern auch hochverschuldet war.

1934 musste Konkurs angemeldet werden. Trotz der Weltwirtschaftskrise übernahmen das Anwaltsehepaar Hans und Poldi Gürtler gemeinsam mit den Gastronomen Josef und Anna Siller das historische Hotel.

Eine Heizung wurde verlegt und jedes Zimmer erhielt ein Bad. Die beliebten Separées wichen einem riesigen Speisesaal.

Langsam wurde das Hotel Sacher wieder Mittelpunkt des sozialen Geschehens. Sogar „King Charming„, Eduard VIII. von England, stattete dem Sacher einen Besuch ab. Aber wer konnte ahnen, dass schon bald ein weiterer Weltkrieg vor der Tür stehen und Österreich 1938 Teil des Deutschen Reiches werden würde.

Den zweiten Weltkrieg überlebte das Hotel Sacher wie durch ein Wunder, denn die halbe Ringstrasse lag in Schutt und Asche.

Nach dem Krieg beherbergt das Sacher kurzzeitig russische Truppen und britische Offiziere; unter ihnen den britischen Autor Graham Greene.

1951 erhielten die ehemaligen Inhaber Siller und Gürtler ihr Haus zurück.

Graham Greene im Hotel Sacher Wien

Schon lange schwebte Graham Greene der folgende Beginn einer Geschichte vor:

Vor einer Woche hatte ich Abschied von Harry genommen, als sein Sarg in die im Februarfrost erstarrte Erde hinabgelassen wurde. Ich traute also meinen Augen nicht, als ich ihn in London im Menschengewühl des „Strand“ ohne ein Zeichen Wiedererkennens an mir vorübereilen sah“

Als Greene 1947 im Hotel Sacher abstieg, erzählte man ihm von dem unterirdischen Kanalisationsnetz und dem Schwarzhandel in Wien. Das Gespräch mit einem Mitarbeiter des Britischen Geheimdiensts gab Graham die zündende Idee zum Drehbuch „Der dritte Mann„. Der Filmklassiker wurde daher im im kriegsgeschädigten Wien gedreht und nicht in London.

John Lennon und Yoko Ono im Hotel Sacher Wien

Vielleicht war es der revolutionäre Geist von Anna Sacher, der Yoko Ono und John Lennon am 31. März 1969 dazu veranlasste, eine ihrer „Bag-Ins“ im Hotel Sacher abzuhalten. Komplett mit Papiertüten verdeckt, warben Yoko und John auf einer Pressekonferenz für Weltfrieden und Toleranz.

Dass sie sich trotz ihrer wichtigen Friedensmission den Genuss der weltberühmtesten Schokoladentorte der Welt nicht entgehen ließen, beweist folgende Strophe des Beatle-Songs „The Ballade of John and Yoko„:

Made a lightning trip to Vienna Eating chocolate cake in a bag

Das Hotel Sacher Wien heute

Mittlerweile besteht das Sacher Hotel aus ganzen 6 Stadthäusern, die im Laufe der Jahre hinzugekauft wurden.  Deshalb ist das  Grand Hotel verwinkelter und weist mehr Stufen auf, als ein herkömmliches  Hotel.

Noch heute wird das denkmalgeschützte Hotel Sacher von den Nachfahren der Gürtler-Familie geführt. Seit der Eröffnung im Jahre 1876 hat sich zwar vieles geändert, aber die jahrhundertealte Geschichte des Hauses ist überall präsent.

Als Hommage an seinen früheren Namen Hotel de l’Opéra und die Lage gegenüber der Wiener Staatsoper tragen die Hotelsuiten von der Oper inspirierte Namen. Bei deren Neugestaltung im Jahr 2017 wurde ein historischer Parkettboden und eine antike Stuckdecke wiederentdeckt und aufgearbeitet. Geblieben sind auch Gemälde aus der Belle Époque und die üppigen Kronleuchter im ganzen Hause.

Und nicht zu vergessen, die Sachertorte: Sie zählt noch immer zu den berühmtesten Torten der Welt und ist quasi ein Wahrzeichen von Wien geworden.

Genau wie bei einem Singapur-Aufenthalt ein Singapore Sling im Raffles obligatorisch ist, hat man Wien nicht erlebt, wenn sich keine Orginal-Sachertorte gegönnt hat.

 

Author

Write A Comment